Im September 2020 legte die Kommission das Migrations- und Asylpaket vor. Dieses Paket stellte neben nichtlegislativen Initiativen einen Neuanfang beim Migrationsmanagement dar. Mehr als drei Jahre später erzielten das Europäische Parlament und der Rat in einem historischen Durchbruch eine politische Einigung über fünf der wichtigsten Rechtsakte. Insgesamt hat das Europäische Parlament zehn neue Legislativvorschläge angenommen. Zusammen werden diese Reformen eine neue Rechtsgrundlage für ein gerechteres und effizienteres Migrationsmanagement schaffen. Es wurde Einvernehmen über folgende miteinander verknüpfte Gesetze erzielt:
Titel | Beschreibung |
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1. Überprüfungsverordnung und 2. Änderungsverordnung zur Erleichterung der Überprüfung (ECRIS-TCN) | Alle irregulären Migranten werden registriert sowie Identitäts-, Sicherheits- und Gesundheitskontrollen unterzogen. |
3. Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement (AMMR) | Schaffung eines neuen, dauerhaften Solidaritätsmechanismus zwischen den Mitgliedstaaten, um das derzeitige System, bei dem einige wenige Länder für die Mehrheit der Asylanträge zuständig sind, auszubalancieren. Festlegung klarer Regeln bezüglich der Zuständigkeit für die Prüfung von Asylanträgen und die Verhinderung von Sekundärmigration. |
4. Asylverfahrensverordnung | Einführung eines gemeinsamen, fairen und effizienten Verfahrens für Entscheidungen über Asylanträge bei gleichzeitiger Begrenzung von Missbrauch und Beseitigung von Anreizen für Sekundärmigration in der gesamten EU. Ebenso wie die Verordnung zum Rückführungsverfahren an der Grenze sieht auch sie ein verbindliches Grenzverfahren sowohl für das Asyl- als auch für das Rückführungsverfahren an den Außengrenzen vor. |
5. Verordnung zur Bewältigung von Krisensituationen und Situationen höherer Gewalt (in die Bestimmungen des Vorschlags für eine Instrumentalisierungsverordnung aufgenommen werden) | Bereitstellung schneller Protokolle für Krisensituationen und Fälle der Instrumentalisierung von Migranten, die in Notfällen durch operative Unterstützung und Finanzmittel ergänzt werden sollen. |
6. Eurodac-Verordnung | Einrichtung einer interoperablen Asyl- und Migrationsdatenbank zur Unterstützung des Asylsystems, zur Hilfe beim Management der irregulären Migration und zur Unterstützung der Umsetzung der Neuansiedlungsverordnung und der Richtlinie über den vorübergehenden Schutz. |
7. Richtlinie über Aufnahmebedingungen | EU-weite Harmonisierung der Aufnahmebedingungen, Gewährleistung menschenwürdiger Aufnahmestandards in der gesamten EU und Verringerung der Anreize für Sekundärmigration. |
8. Anerkennungsverordnung | Harmonisierung der Schutzstandards in der EU, um einheitliche Standards für den Schutz und die Rechte von Flüchtlingen zu gewährleisten und „Asyl-Shopping“ zu verhindern. |
9. Neuansiedlungsverordnung | Schaffung eines gemeinsamen EU-Rahmens für die EU-Mitgliedstaaten zur Neuansiedlung von Geflüchteten aus Ländern außerhalb der EU. |
10. Verordnung über die Asylagentur der Europäischen Union | Einrichtung einer voll ausgestatteten Asylagentur der Europäischen Union (EUAA), die in der Lage ist, den Mitgliedstaaten in normalen Zeiten und in Zeiten besonderen Drucks rasch und umfassend zu helfen. |
11. Richtlinie über die kombinierte Erlaubnis [1] | Straffung des Verfahrens zur Erlangung einer kombinierten Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis für Antragsteller und Arbeitgeber. |
12. Richtlinie über die Blaue Karte [2] | Unterstützung von Arbeitgebern bei der Anwerbung hoch qualifizierter Migranten aus Ländern außerhalb der EU, indem das Verfahren einfacher und leichter zugänglich gemacht wird. |
Die Annahme von zwei Legislativvorschlägen steht noch aus:
Rückführungsrichtlinie | Straffung und Aktualisierung der Vorschriften in Bezug auf Rückführungsverfahren. |
Richtlinie über den langfristigen Aufenthalt | Vereinfachung der Voraussetzungen für die Erlangung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in der EU. |
Die politische Einigung wurde im Dezember 2023 erzielt.
Die politische Einigung wurde im Mai 2021 erzielt. Die überarbeitete Richtlinie trat am 27. November 2021 in Kraft.
Mit dem Paket wird ein gemeinsames europäisches System geschaffen, mit dem ein neues Verfahren für das Migrationsmanagement in normalen Zeiten eingeführt und gleichzeitig Vorsorge für Krisensituationen und Instrumentalisierung getroffen wird.
A. Ein europäisches System zur Kontrolle der EU-Außengrenzen, zur Sicherstellung der Gerechtigkeit zwischen den Mitgliedstaaten und zum Schutz von Menschen in Not.
- Sicherere Außengrenzen: Alle irregulären Migranten werden bei ihrer Ankunft registriert und einer gründlichen Identitäts-, Sicherheits-, Gesundheits- und Schutzbedürftigkeitsüberprüfung unterzogen. Personen, bei denen es unwahrscheinlich ist, dass sie Schutz benötigen, die ein Sicherheitsrisiko darstellen oder die die Behörden irreführen, werden einem beschleunigten Grenzverfahren unterzogen. Dieses Verfahren ermöglicht eine rasche Prüfung der Asylanträge und, falls diese abgelehnt werden, eine rasche Rückführung, ohne dass die betreffende Person berechtigt ist, in das Gebiet der Union einzureisen. Jeder Mitgliedstaat muss über die Kapazitäten zur angemessenen Unterbringung einer bestimmten Zahl von Asylsuchenden während der Dauer der Verfahren verfügen. Es werden strenge rechtliche Garantien gelten, und unbegleitete Minderjährige werden vom Verfahren an der Grenze ausgenommen, sofern sie keine Gefahr für die Sicherheit darstellen. Alle Mitgliedstaaten müssen während der Überprüfung und der Asylverfahren an der Grenze eine unabhängige Überwachung der Grundrechte gewährleisten. Darüber hinaus wird es umfassende Krisenprotokolle geben, die einen stabilen und vorhersehbaren Rahmen für die Bewältigung von Krisensituationen auf Unionsebene bieten. Dazu gehören eine verstärkte Solidaritätskomponente, die sicherstellt, dass der gesamte Bedarf des betreffenden Mitgliedstaats gedeckt wird, sowie Ausnahmen von den üblichen Fristen, um den spezifischen Situationen Rechnung zu tragen.
- Faire und konsequente interne Regeln für Asyl und Rückführung: Mit den neuen Vorschriften werden wirksamere Asylverfahren mit kürzeren Fristen und strengeren Vorschriften in Bezug auf missbräuchliche Anträge oder Folgeanträge eingeführt. Neben diesen Vorschriften werden wichtige Garantien für die Rechte des Einzelnen gelten, einschließlich kostenloser Rechtsberatung bei allen Verfahren. Ein besonderes Augenmerk wird auf schutzbedürftigen Gruppen liegen. Mit den neuen Vorschriften werden auch EU-weite Standards für die Aufnahmebedingungen festgelegt und die Anerkennung sowie die Rechte von Personen, die internationalen Schutz genießen, harmonisiert.
- Ein Gleichgewicht zwischen Solidarität und Verantwortung schaffen: Die Union wird erstmals über einen dauerhaften obligatorischen Solidaritätsmechanismus verfügen. Kein Mitgliedstaat, der unter Druck steht, wird allein gelassen. Gleichzeitig wird jeder Mitgliedstaat flexibel zu den Solidaritätsbemühungen beitragen und wählen können, welche Art von Solidarität er anbieten möchte. Das System wird auch wirksame Vorschriften zur Aufdeckung und Verhinderung von Sekundärmigration enthalten.
Vor dem Paket | Mit dem Paket |
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Sichere Außengrenzen | |
Keine harmonisierten Registrierungs-, Überprüfungs- oder Grenzverfahren in allen Mitgliedstaaten. | Neue obligatorische Registrierung sowie Identitäts-, Sicherheits-, Gesundheits- und Schutzbedürftigkeitsüberprüfung. |
Obligatorische Grenzverfahren für Personen, bei denen es unwahrscheinlich ist, dass sie internationalen Schutz benötigen, die ein Sicherheitsrisiko darstellen oder die die Behörden irreführen. | |
Keine speziellen Ressourcen für die Überprüfung an den Außengrenzen und die Durchführung der Grenzverfahren. | Einheitliche Gesundheits-, Identitäts- und Sicherheitsüberprüfungen von Migranten, die die EU-Außengrenzen illegal überschreiten. Die Überprüfung muss innerhalb eines begrenzten Zeitrahmens abgeschlossen werden: sieben Tage für die Überprüfung an den Außengrenzen und drei Tage für die Überprüfung von im Hoheitsgebiet aufgegriffenen Personen. Schnelle Weiterleitung an die geeigneten Verfahren (Grenzverfahren, reguläre Asyl- oder Rückführungsverfahren). |
Keine Verpflichtung zur Einrichtung unabhängiger Überwachungsmechanismen, um die Achtung der Grundrechte zu gewährleisten. | Verpflichtung zur Einrichtung einer unabhängigen Überwachung, um die Achtung der Grundrechte während der Überprüfung und der Grenzverfahren sicherzustellen. |
Schnelle und effiziente Verfahren | |
Unterschiedliche Verfahrensmodalitäten in den Mitgliedstaaten. | Gemeinsames, faires und effizientes Verfahren zur Entscheidung über die Gewährung internationalen Schutzes bei gleichzeitiger Beseitigung von Anreizen für Sekundärmigration in der EU. |
Flexible und divergierende Vorschriften für missbräuchliche Forderungen in den Mitgliedstaaten, die zu Sekundärmigration führen. | Strengere gemeinsame Vorschriften für missbräuchliche oder Folgeanträge, durch die eine bessere Verfolgung von Migrationsbewegungen über die Eurodac-Datenbank ermöglicht wird. |
Keine kostenfreie Rechtshilfe in erster Instanz. | Kostenlose Rechtsberatung in allen Phasen des Asylverfahrens, wobei schutzbedürftige Gruppen besonders berücksichtigt werden. Leitlinien zum Verwaltungsverfahren, unter anderem Informationen über Rechte und Pflichten, Unterstützung bei der Einreichung von Asylanträgen; kostenlose Rechtshilfe und ‑vertretung während des Rechtsbehelfsverfahrens. |
Unterschiedliche Aufnahmestandards und keine verpflichtenden Notfallpläne, um stets ausreichende Aufnahmekapazitäten zu gewährleisten. | EU-weite Standards für Aufnahmebedingungen und Verpflichtung zur Erarbeitung von Notfallplänen. |
Ein Flickenteppich aus unterschiedlichen Verfahren in den Mitgliedstaaten, wodurch Anreize zum „Asyl-Shopping“ entstehen. | Harmonisierte Schutzkriterien gewährleisten, dass Antragsteller unter den gleichen Bedingungen die gleiche Chance auf Gewährung von Asyl haben – ganz gleich, wo in der EU sie ihren Asylantrag stellen. |
Wirksames System der Solidarität und Verantwortung | |
Ad-hoc- und freiwillige Solidarität. | Ein dauerhafter Solidaritätsrahmen, bei dem durch klare Schritte sichergestellt wird, dass die Mitgliedstaaten Solidarität erhalten, und dass die Mitgliedstaaten wählen können, welche Art von Solidarität sie leisten wollen. |
Unklare Verpflichtungen für Antragsteller und unwirksame Vorschriften zur Bekämpfung von Sekundärmigration. | Klare Verpflichtungen für Antragsteller, im Mitgliedstaat der ersten Einreise einen Antrag zu stellen. |
Krisenprotokolle und Maßnahmen gegen Instrumentalisierung | |
Kein spezifischer Rechtsrahmen, der sicherstellt, dass die Mitgliedstaaten Krisensituationen, u. a. Instrumentalisierung oder Situationen höherer Gewalt im Bereich Asyl und Migration, bewältigen können. | Die Krisenverordnung sieht schnelle Protokolle für Krisensituationen und die Instrumentalisierung von Migranten vor, die in Notfällen durch operative Unterstützung und Finanzmittel ergänzt werden sollen. |
Die Legislativvorschläge treten 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt offiziell in Kraft. Die Mitgliedstaaten haben nach Inkrafttreten der Instrumente zwei Jahre Zeit, um das Paket vollständig umzusetzen.
Die Vorbereitungsarbeiten, die von der Kommission koordiniert werden, haben jedoch bereits begonnen. Die Reform sieht die Ausarbeitung eines gemeinsamen Durchführungsplans und nationaler Umsetzungspläne vor, um sicherzustellen, dass alle Mitgliedstaaten die gleiche Richtung einschlagen und bereit sind, das Paket ab dem ersten Tag umzusetzen. In dem Plan, den die Kommission bis Juni vorlegen muss, werden Lücken aufgezeigt und operative Schritte benannt, die erforderlich sind, um sicherzustellen, dass alle Mitgliedstaaten die rechtlichen und operativen Voraussetzungen schaffen, um die neuen Rechtsvorschriften ab 2026 erfolgreich anwenden zu können. Die EU-Unterstützung umfasst technische, operative und finanzielle Unterstützung durch die Kommission und die EU-Agenturen.
Das Paket enthält klare und gemeinsame Regeln, um ein faires und konsequentes Migrationsmanagement zu gewährleisten. Es sieht einen soliden Rechtsrahmen vor, um zu gewährleisten, dass jeder Mitgliedstaat flexibel genug ist, um die spezifischen Herausforderungen, mit denen er konfrontiert ist, zu bewältigen, und gleichzeitig sicherzustellen, dass kein unter Druck stehender Mitgliedstaat allein gelassen wird.
Dies schließt nicht aus, dass bestimmte Herausforderungen, die bereits bestehen oder in Zukunft auftreten können, weiterhin angegangen werden müssen. Die Kommission wird auch in Zukunft operativ arbeiten und gemeinsam mit den EU-Agenturen die Mitgliedstaaten beim Migrationsmanagement durch gezielte Maßnahmen unterstützen.
In Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitländern wurde ein Gesamtrouten-Konzept entwickelt. Die Kommission hat vier EU-Aktionspläne auf den Weg gebracht, die sich auf den Westbalkan, die zentrale Mittelmeerroute, die westliche Mittelmeerroute, die Atlantikroute sowie die östliche Mittelmeerroute konzentrieren. Dabei hat die EU die Unterstützung für die Mitgliedstaaten mit allen ihr zur Verfügung stehenden politischen und operativen Instrumenten verstärkt. Darüber hinaus wird die Kommission die Zusammenarbeit mit den Partnerländern durch einen neuen Ansatz verstärken, bei dem die Migration in internationale Partnerschaften eingebunden wird, um irreguläre Ausreisen zu verhindern, Schleuserkriminalität zu bekämpfen, die Zusammenarbeit in Fragen der Rückübernahme zu verstärken und legale Migrationswege zu fördern.
Mit der Überprüfungsverordnung werden einheitliche Vorschriften für die EU festgelegt, um sicherzustellen, dass Personen, die illegal in das EU-Hoheitsgebiet einreisen, einer Identitäts-, Sicherheits-, Gesundheits- und Schutzbedürftigkeitsüberprüfung unterzogen werden und an die geeigneten Verfahren (Grenzverfahren, reguläres Asylverfahren oder Rückführungsverfahren) weitergeleitet werden. Die Überprüfung gilt auch für Personen innerhalb des Schengen-Raums, die Kontrollen an den Außengrenzen vermieden haben.
Die Behörden der Mitgliedstaaten müssen bei allen Drittstaatsangehörigen, die die EU-Grenzen illegal überschreiten, vorab Gesundheits- und Schutzbedürftigkeitskontrollen sowie Identitäts- und Sicherheitskontrollen durchführen, wenn sie an den Außengrenzen oder innerhalb des Hoheitsgebiets aufgegriffen werden. Dies muss innerhalb einer begrenzten Zeit geschehen, nämlich die Überprüfung an den Außengrenzen innerhalb sieben Tagen und die Überprüfung innerhalb des Hoheitsgebiets innerhalb drei Tagen. Diese Überprüfung wird die Sicherheit im Schengen-Raum erhöhen, da auf diese Weise sichergestellt wird, dass die kontrollierten irregulären Migranten keine Gefahr für die innere Sicherheit darstellen. Sie wird auch dazu beitragen, die öffentliche Gesundheit zu schützen und Migranten in dringenden oder lebensbedrohlichen Fällen eine Behandlung zu ermöglichen.
Die Vorbereitungsarbeiten für die Umsetzung werden schon jetzt beginnen, indem die Mitgliedstaaten die erforderliche Infrastruktur einrichten, die erforderliche Ausrüstung erwerben und ihre bestehenden Vorschriften anpassen. Diese Verordnung gilt für alle Schengen-Staaten, d. h. für alle EU-Mitgliedstaaten außer Irland sowie für die vier assoziierten Schengen-Länder Norwegen, Liechtenstein, die Schweiz und Island.
Die neue Überprüfungsverordnung wird eine rasche Feststellung des korrekten Verfahrens gewährleisten, das für eine in der EU ankommende Person gilt, die nicht die Einreisevoraussetzungen erfüllt. Eine schnellere Ermittlung des geeigneten Verfahrens wird die Verwaltung der Anträge von Personen, die internationalen Schutz benötigen, sowie von schutzbedürftigen Personen, die besondere Hilfe benötigen, erleichtern, auch wenn viele Menschen gleichzeitig ankommen. Zweck der Gesundheitskontrollen ist es, den Gesundheitszustand einer Person vorab zu bewerten, um die öffentliche Gesundheit zu schützen und den Betreffenden in dringenden oder lebensbedrohlichen Fällen eine Behandlung zu gewähren.
Mit der Überprüfungsverordnung wird auch eine vorläufige Überprüfung der Schutzbedürftigkeit eingeführt, die von geschultem Personal durchzuführen ist. Diese Kontrollen tragen dazu bei, festzustellen, ob es sich bei einer Person um einen Staatenlosen, um ein Opfer von Folter oder anderer unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder um eine Person mit besonderen Bedürfnissen handeln könnte. Auf diese Weise können schutzbedürftige Personen in den anschließenden Asyl- oder Rückführungsverfahren angemessenen Schutz erhalten. Die neuen Vorschriften enthalten auch besondere Garantien für den Schutz Minderjähriger.
Alle Mitgliedstaaten müssen für einen neuen unabhängigen Überwachungsmechanismus Sorge tragen, der die Transparenz und Rechenschaftspflicht während der Überprüfung und des Grenzverfahrens verbessert und gleichzeitig die Achtung der Grundrechte fördert.
Der neue unabhängige Überwachungsmechanismus ist ein Schlüsselelement, um die Achtung der Grundrechte bei der Überprüfung und den Grenzverfahren zu fördern. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, unabhängige nationale Überwachungsstellen einzurichten und zu finanzieren, die während der Überprüfung die Einhaltung des Unionsrechts und des Völkerrechts überwachen, und sicherstellen, dass begründete Vorwürfe der Missachtung der Grundrechte bei allen einschlägigen Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Überprüfung wirksam behandelt und erforderlichenfalls Untersuchungen zu solchen Anschuldigungen ausgelöst werden.
Die Mitgliedstaaten müssen angemessene Garantien einführen, um die Unabhängigkeit des Mechanismus zu gewährleisten. Die nationalen Bürgerbeauftragten und nationale Menschenrechtsinstitutionen, einschließlich der nationalen Präventionsmechanismen, beteiligen sich an der Anwendung des Mechanismus und können zu unabhängigen Beobachtern ernannt werden.
Der unabhängige Überwachungsmechanismus kann auch einschlägige internationale und nichtstaatliche Organisationen und öffentliche Stellen einbeziehen, die von den Behörden, die die Überprüfung durchführen, unabhängig sind. Die unabhängigen Überwachungsmechanismen sind befugt, jährliche Empfehlungen an die Mitgliedstaaten zu richten, um die Achtung der Grundrechte zu verbessern.
Mit der neuen Eurodac-Verordnung wird die EU-Identifizierungsdatenbank erweitert, um die Behörden bei der Bekämpfung der irregulären Migration, der Verfolgung von Sekundärmigration und der Verbesserung der Rückführung irregulärer Migranten zu unterstützen.
Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, folgende Kategorien von Personen in Eurodac zu registrieren: Asylsuchende; Personen, die die EU-Außengrenze illegal überschritten haben; Personen, die nach einem Such- und Rettungseinsatz ausgeschifft wurden, sowie Personen, die sich illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhalten; Personen, die für ein Aufnahmeverfahren gemäß der Neuansiedlungsverordnung registriert sind; im Rahmen eines nationalen Programms neu angesiedelte Personen sowie Personen, die vorübergehenden Schutz genießen. Dies wird dazu beitragen, die Identifizierung von Einzelpersonen zu erleichtern und den Behörden mehr Informationen zur Verfügung zu stellen, um schnellere Asylverfahren und eine bessere Aufdeckung von Sekundärmigration zu ermöglichen.
Die Fingerabdrücke von Personen, die illegal eingereist sind, werden fünf Jahre lang im System verbleiben, im Gegensatz zu den derzeitigen 18 Monaten, wodurch es möglich wird, Informationen über Personen im System für einen längeren Zeitraum abzurufen. Dies wird sich wirksamer darauf auswirken, wie die allgemeinen Asylvorschriften angewandt werden. In der Praxis werden so Missbrauch und „Asyl-Shopping“ eingeschränkt, da Menschen daran gehindert werden, den Mitgliedstaat zu wählen, in dem sie Schutz erhalten möchten, da ihre Identität nachverfolgt werden kann. Für Asylsuchende beträgt die Speicherfrist zehn Jahre.
Die Speicherfrist beträgt fünf Jahre für Personen, die sich illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhalten und aufgegriffen werden; die nach Such- und Rettungseinsätzen ausgeschifft werden; die innerhalb des Unionsrahmens und im Rahmen nationaler Programme neu angesiedelt werden. Für Personen, denen die Neuansiedlung verweigert wurde, und für diejenigen, deren Neuansiedlungsverfahren eingestellt wurde, beträgt die Speicherfrist drei Jahre. Für Personen, denen in Zukunft vorübergehender Schutz gewährt wird, werden die Daten für die Dauer des Schutzes gespeichert (plus ein Jahr darüber hinaus).
Die Erfassung der biometrischen Daten von Minderjährigen wird es den Behörden ermöglichen, diese Kinder zu identifizieren, aber auch dazu beitragen, vermisste Kinder aufzuspüren, die Opfer von Menschenhandel und sexueller Ausbeutung geworden sein könnten.
Die neue Verordnung sieht zusätzliche Schutzmaßnahmen für Minderjährige vor, die in Eurodac registriert werden (d. h. Minderjährige ab sechs Jahren), die den Schutz von Kindern ermöglicht, die möglicherweise von ihren Familien getrennt werden.
Unbegleiteten Minderjährigen muss während der gesamten Erfassung ihrer biometrischen Daten ein Vertreter oder, wenn kein Vertreter benannt wurde, eine Person zugewiesen werden, die dafür geschult ist, das Wohl und das allgemeine Wohlergehen der Minderjährigen zu schützen. Werden Minderjährige von einem erwachsenen Familienangehörigen begleitet, so muss dieser die Minderjährigen bei der Erfassung der biometrischen Daten begleiten. Die für die Erfassung der biometrischen Daten von Minderjährigen zuständigen Beamten sollten ebenfalls geschult werden, sodass eine ausreichende Sorgfalt und ein kinderfreundliches Verfahren gewährleistet sind.
Beantragt eine Person nach der Überprüfung Asyl, so muss ihr Antrag im Rahmen des Grenzverfahrens geprüft werden. Das Grenzverfahren ist eine Art beschleunigtes Asylverfahren.
Das Grenzverfahren ist für eine begrenzte Anzahl von Fällen anwendbar, die in den Rechtsvorschriften streng definiert sind, wenn der Antragsteller Staatsangehöriger von Ländern mit niedrigen Anerkennungsquoten für internationalen Schutz ist oder die Behörden irreführt oder eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellt. Für andere Personen gilt das reguläre Asylverfahren.
Das Grenzverfahren gilt für einen begrenzten Zeitraum. Es darf lediglich 12 Wochen (drei Monate) dauern. Diese Frist kann auf 16 Wochen verlängert werden, wenn der Antragsteller in einen anderen Mitgliedstaat überstellt wird. Dies bietet ausreichend Zeit, um Fälle, die grundsätzlich nicht als komplex eingeschätzt werden, angemessen zu bewerten, und sicherzustellen, dass Personen ohne Aufenthaltsberechtigung schneller und auf würdige Weise zurückgeführt werden können. Das Grenzverfahren sollte jedoch nicht oder nicht mehr angewandt werden, wenn die Behörde bei der Prüfung des Antrags zu der Auffassung gelangt, dass der Fall zu komplex oder wahrscheinlich begründet ist.
Ergeht innerhalb dieser 12-16 Wochen keine Entscheidung, so wird der Antragsteller dem regulären Asylverfahren zugeführt und seine Einreise in das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats gestattet.
Wird ein Antrag im Asylverfahren an der Grenze abgelehnt, wird der Drittstaatsangehörige in das Rückführungsverfahren an der Grenze überstellt. Dieses Verfahren darf höchstens 12 Wochen in Anspruch nehmen, damit Personen, die kein Aufenthaltsrecht in der EU genießen, rasch zurückgeführt werden können.
Während des Grenzverfahrens gelten alle erforderlichen Schutzvorkehrungen und Garantien.
Eine angemessene Aufnahmekapazität muss gewährleistet sein: Mit der Reform wird sichergestellt, dass es zu keiner Überlastung kommt. Es wird das Konzept der „angemessenen Kapazität“ eingeführt, um das Verfahren an der Grenze handhabbar zu gestalten, indem Vorhersehbarkeit für die Behörden gewährleistet wird. Jeder Mitgliedstaat muss über die Kapazitäten zur angemessenen Unterbringung einer bestimmten Zahl von Asylsuchenden während der Dauer der Verfahren verfügen. Wenn die angemessene Kapazität eines bestimmten Mitgliedstaats erreicht ist, ist der betreffende Mitgliedstaat nicht mehr verpflichtet, zusätzliche Personen in das Grenzverfahren aufzunehmen; stattdessen kann der Mitgliedstaat Asylsuchende innerhalb seines Hoheitsgebiets an das beschleunigte Verfahren weiterleiten.
Das Konzept der „angemessenen Kapazität“ verpflichtet die Mitgliedstaaten, die Aufnahme- und Personalkapazitäten, einschließlich qualifizierten und gut ausgebildeten Personals, aufzubauen, die benötigt werden, um jederzeit eine bestimmte Zahl von Anträgen zu prüfen und Rückführungsentscheidungen zu vollstrecken.
Obwohl das Grenzverfahren generell an der Grenze oder in den Transitzonen durchgeführt werden sollte, haben die Mitgliedstaaten auch die Möglichkeit, das Grenzverfahren an Orten innerhalb des Hoheitsgebiets durchzuführen.
Grundrechte müssen stets gewahrt werden. Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union findet Anwendung, wenn die Mitgliedstaaten EU-Recht umsetzen. Die EUAA und die Kommission werden den Bedingungen im Grenzverfahren besondere Aufmerksamkeit widmen. Erforderlichenfalls kann die Kommission die EUAA auffordern, im Rahmen des neuen Überwachungsmechanismus der Agentur eine Ad-hoc-Überwachung durchzuführen. Sind die Aufnahmebedingungen für Minderjährige und ihre Familienangehörigen nicht angemessen, muss das Grenzverfahren für Familien mit Minderjährigen auf Empfehlung der Kommission ausgesetzt werden.
Die Inhaftnahme kann im Rahmen der Grenzverfahren erfolgen, es gibt jedoch keine Bestimmung, die es den Mitgliedstaaten erlaubt, Personen, die internationalen Schutz beantragen, automatisch zu inhaftieren. Die Inhaftnahme kann nur im Einklang mit allen in der Richtlinie über Aufnahmebedingungen vorgesehenen Garantien erfolgen, d. h. sie kann nur dann angewandt werden, wenn sie auf der Grundlage einer Einzelfallprüfung erforderlich und verhältnismäßig ist, als letztes Mittel, wenn weniger einschneidende Maßnahmen nicht möglich sind, und unter gerichtlicher Kontrolle.
In diesem Zusammenhang erfordert die Reform die Ausarbeitung von Leitlinien für Alternativen zur Inhaftnahme; außerdem muss die Kommission die Anwendung einer möglichen Inhaftnahme im Grenzverfahren überwachen und dabei sicherstellen, dass der Antragsteller nicht untertaucht.
Die neuen Rechtsvorschriften sehen vor, dass ablehnende Asylentscheidungen zusammen mit einer Rückführungsentscheidung erlassen werden sollten und dass Rechtsbehelfe innerhalb derselben Frist bearbeitet werden sollten. Sobald eine Person im Asylverfahren an der Grenze eine ablehnende Entscheidung erhält, erhält sie auch eine Rückführungsentscheidung und wird direkt in das Rückführungsverfahren an der Grenze überstellt. Dadurch wird ein nahtloser Übergang zwischen Asyl- und Rückführungsverfahren gewährleistet. Es wird Kontinuität zwischen den an dem Verfahren beteiligten Behörden geben, sodass Situationen vermieden werden, in denen die Person untertaucht oder in ein anderes Hoheitsgebiet einreist.
Im Grenzverfahren müssen praktische Vorkehrungen getroffen werden, um sicherzustellen, dass Personen zügig rückgeführt werden. Dazu gehören die Einrichtung effizienter Strukturen für die Rückkehrberatung, erforderlichenfalls Maßnahmen zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit (Alternativen zur Inhaftnahme) und praktische Vorkehrungen, um zu gewährleisten, dass von dem betreffenden Bestimmungsdrittstaat Reisedokumente angefordert werden können.
Auf operativer Ebene wird Frontex in allen Phasen des Rückführungsverfahrens (vor der Rückführung, Rückführungsaktionen und nach der Rückführung, einschließlich Unterstützung bei der Wiedereingliederung) Hilfe leisten. Darüber hinaus arbeitet der EU-Rückkehrkoordinator im Rahmen des hochrangigen Netzes für Rückkehrfragen an einem Fahrplan für gezielte Maßnahmen für effizientere Rückführungen, der sich insbesondere auf die sieben vorrangigen Länder Irak, Bangladesch, Pakistan, Tunesien, Nigeria, Senegal und Gambia konzentriert, was zum effizienten Funktionieren des Grenzverfahrens beitragen wird.
Selbst gut vorbereitete Systeme müssen über einen Rahmen verfügen, um auf außergewöhnliche Situationen wie Krisen oder höhere Gewalt reagieren zu können. Die Verordnung zur Bewältigung von Krisensituationen und Situationen höherer Gewalt bietet auf Unionsebene einen stabilen und berechenbaren Rahmen für die Bewältigung von Krisensituationen oder Situationen höherer Gewalt mit einer verstärkten Solidaritätskomponente, die sicherstellt, dass alle Bedürfnisse der betroffenen Mitgliedstaaten erfüllt werden, sowie verfahrensrechtliche Ausnahmeregelungen für die Mitgliedstaaten.
Es sind auch Ausnahmeregelungen vorgesehen, um der besonderen Situation der Instrumentalisierung Rechnung zu tragen und den Mitgliedstaaten robuste und gezielte Mittel an die Hand zu geben, um unsere Außengrenzen zu schützen, und gleichzeitig den Zugang zu Asyl und die Achtung der Grundrechte zu gewährleisten.
In der Verordnung wird eine Krisensituation definiert als eine Ausnahmesituation mit Massenzuströmen von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen auf dem Land-, Luft- oder Seeweg in einen Mitgliedstaat, einschließlich Personen, die nach Such- und Rettungseinsätzen ausgeschifft werden. Das Hauptkriterium besteht darin, dass die Situation dazu führt, dass das Asyl-, Aufnahme- oder Rückführungssystem eines Mitgliedstaats (einschließlich Kinderschutzdienste) so schlecht funktioniert, dass es schwerwiegende Folgen für das Funktionieren des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems insgesamt geben kann.
Eine Situation der Instrumentalisierung wird definiert als eine Situation, in der ein Drittstaat oder ein feindseliger nichtstaatlicher Akteur die Migration von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen an die Außengrenzen oder in einen Mitgliedstaat fördert oder erleichtert. Wenn dies mit dem Ziel geschieht, die Union oder einen Mitgliedstaat zu destabilisieren, und wenn solche Handlungen wesentliche Funktionen eines Mitgliedstaats, einschließlich der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder des Schutzes seiner nationalen Sicherheit, gefährden könnten.
Situationen „höherer Gewalt“ bezeichnet ungewöhnliche und unvorhersehbare Ereignisse, die sich der Kontrolle eines Mitgliedstaats entziehen und deren Folgen nicht hätten vermieden werden können, wie Naturkatastrophen und Pandemien. Dies impliziert eine unvorhergesehene Situation, die den Mitgliedstaat daran hindert, seinen Verpflichtungen aus der Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement und der Asylverfahrensverordnung nachzukommen.
Mitgliedstaaten, die mit Krisensituationen, Situationen von Instrumentalisierung oder höherer Gewalt konfrontiert sind, können von bestimmten zuständigkeitsbezogenen Vorschriften des EU-Asylrechts abweichen. Dazu gehört Folgendes:
- Die Frist für die Registrierung von Anträgen auf internationalen Schutz wird von sieben Tagen auf vier Wochen verlängert.
- Eine Verlängerung des Grenzverfahrens von 12 Wochen auf 18 Wochen.
- Verlängerte Fristen für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats (nur bei Massenzuströmen in Krisensituationen und Situationen höherer Gewalt).
- Ausnahmen von der Anwendung des Grenzverfahrens und Ausweitung des Anwendungsbereichs des Grenzverfahrens, je nach Situation.
In einer Situation eines Massenzustroms von solch außergewöhnlichem Ausmaß und außergewöhnlicher Intensität, dass das EU-Asylsystem funktionsunfähig werden könnte, weil es zu schwerwiegenden Mängeln bei der Behandlung von Antragstellern führen könnte, sieht die Verordnung die Möglichkeit vor, den betroffenen Mitgliedstaat von seiner Verpflichtung zur Wiederaufnahme von Antragstellern zu befreien.
Die Krisenverordnung verfügt über einen soliden Mechanismus, um die Wahrung der Grundrechte zu gewährleisten.
Die Verordnung muss unter uneingeschränkter Einhaltung der Charta der Grundrechte umgesetzt werden, wobei die Grundrechte von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen zu wahren sind. Dazu gehört auch sicherzustellen, dass das Recht auf Asyl geachtet wird und dass die erforderlichen Garantien auch im Asylrecht vorgesehen sind.
Der Krisenmechanismus wird nur unter außergewöhnlichen Umständen und so lange genutzt, wie es unbedingt erforderlich ist, um Krisensituationen, Situationen von Instrumentalisierung oder höherer Gewalt zu bewältigen. Da es wichtig ist, dies zu gewährleisten, überwachen die Kommission und der Rat die Lage unter Beachtung der Grundsätze der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit. Wenn sie dies für erforderlich hält, kann die Kommission die EUAA auch ersuchen, eine Überwachung des Asyl- und Aufnahmesystems des betreffenden Mitgliedstaats einzuleiten.
Die Mitgliedstaaten müssen die Grundrechte jederzeit achten. Wenn es zu Ausnahmen von der Registrierung von Anträgen auf internationalen Schutz kommt (in Krisensituationen, einschließlich Instrumentalisierung, oder in Situationen höherer Gewalt), sollte Anträgen von Minderjährigen und Familienangehörigen sowie von Personen mit besonderen Verfahrens- oder Aufnahmebedürfnissen Vorrang eingeräumt werden. Anträge, die wahrscheinlich begründet sind, können vorrangig behandelt werden.
Gemäß der Krisenverordnung ist ein Mitgliedstaat befugt, den Anwendungsbereich des Grenzverfahrens auf Personen auszuweiten, deren Anträge eine EU-weite Anerkennungsquote von 50 % oder weniger aufweisen, oder den Schwellenwert für das obligatorische Verfahren an der Grenze auf 5 % zu senken (statt ihn auf alle Antragsteller mit einer Anerkennungsquote von unter 20 % anzuwenden).
Im Falle einer Instrumentalisierung ist ein Mitgliedstaat berechtigt, den Anwendungsbereich des Grenzverfahrens auf alle Antragsteller auszuweiten. In solchen Situationen muss jedoch weiterhin besonders auf Minderjährige unter 12 Jahren und ihre Familienangehörigen geachtet werden. Daher kann der betreffende Mitgliedstaat entweder*:
- Minderjährige unter 12 Jahren und ihre Familienangehörigen sowie Personen mit besonderen Verfahrens- oder Aufnahmebedürfnissen vom Grenzverfahren ausschließen oder
- das Grenzverfahren einstellen, wenn nach einer Einzelfallprüfung festgestellt wird, dass Anträge von Minderjährigen unter 12 Jahren, ihren Familienangehörigen und Personen mit besonderen Verfahrens- oder Aufnahmebedürfnissen begründet sind.
Die Inhaftnahme sollte nur als letztes Mittel, so kurz wie möglich und niemals in Haftanstalten oder anderen Einrichtungen für Strafverfolgungszwecke eingesetzt werden. Es muss alles getan werden, um sicherzustellen, dass für Minderjährige und ihre Familienangehörigen geeignete Alternativen gefunden werden. Minderjährige sollten auch nicht von ihren Eltern oder Betreuern getrennt werden.
Mit der Asylverfahrensverordnung werden klare und strenge Vorschriften für die Pflichten von Antragstellern während des Asylverfahrens eingeführt: Bereitstellung von Informationen für die Registrierung eines Antrags (einschließlich biometrischer Daten für die Registrierung in Eurodac); Verpflichtung, den Antrag innerhalb von 21 ab der Registrierung einzureichen; Verpflichtung zur Teilnahme an Anhörungen; Verpflichtung, in dem Mitgliedstaat zu bleiben, in dem der Antragsteller gemäß der Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement sein soll; Zusammenarbeit mit den Behörden in allen Phasen des Verfahrens.
Die Nichteinhaltung dieser Verpflichtungen zieht schwerwiegende Konsequenzen nach sich, insbesondere können die Behörden einen Antrag in einigen Fällen als stillschweigend zurückgenommen betrachten.
Der Anwendungsbereich dessen, was als Folgeantrag zu betrachten ist, wird erweitert: Nach der Asylverfahrensverordnung gilt ein Antrag, der in einem beliebigen Mitgliedstaat (und nicht nur in demselben Mitgliedstaat, wie es derzeit der Fall ist) gestellt wird, nachdem eine Entscheidung über einen früheren Antrag rechtskräftig geworden ist, als Folgeantrag. Enthält ein solcher Antrag keine neuen Elemente, so ist er als unzulässig zurückzuweisen; enthält er neue Elemente, sollte er im beschleunigten Verfahren (oder optional im Rahmen des Grenzverfahrens) bearbeitet werden. Schließlich gibt es Ausnahmen von der Berechtigung zum Verbleib während des Verwaltungsverfahrens und während des Rechtsbehelfsverfahrens für Folgeanträge.
Mit der Reform werden neue Garantien für Asylsuchende und schutzbedürftige Personen, insbesondere für Minderjährige und Familien mit Kindern, geschaffen. Es wird eine kostenlose Rechtsberatung für alle Antragsteller in allen Asylverfahren, einschließlich des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats, eingeführt, und die Informationsrechte werden gestärkt.
Dies umfasst beispielsweise:
- Neue und gestärkte Informationsrechte für Antragsteller in allen neuen Rechtsakten, damit die Antragsteller ihre Rechte und Pflichten sowie die Folgen der Nichteinhaltung ihrer Pflichten verstehen.
- Das Recht auf Information wird durch ein neues Recht auf kostenlose Rechtsberatung für alle Asylsuchenden in der Verwaltungsphase des Verfahrens ergänzt. Dies gilt für alle Verfahren, einschließlich des Grenzverfahrens und des Verfahrens zur Bestimmung des für einen Asylantrag zuständigen Mitgliedstaats. In der Phase des Rechtsbehelfsverfahrens haben alle Antragsteller weiterhin das Recht, sich durch einen Anwalt beraten und vertreten zu lassen.
- Frühere Feststellung von Schutzbedürftigkeit und besonderen Verfahrensbedürfnissen.
- Neue Garantien für Minderjährige: eine Verpflichtung zu einem multidisziplinären Ansatz (unter Hinzuziehung von Psychologen, Kinderärzten, Sozialarbeitern usw.) zur Altersbestimmung, um den Einsatz von in die Privatsphäre eingreifenden medizinischen Untersuchungen so gering wie möglich zu halten, wenn die erste multidisziplinäre Beurteilung zu keinem hinreichenden Ergebnis führt; neue Verpflichtungen in allen Instrumenten des Pakets, um sicherzustellen, dass alle unbegleiteten Minderjährigen rasch einen Vertreter bekommen, der für die Interessen des Kindes, einschließlich seines Wohlergehens, zuständig ist (ein vorübergehender Vertreter, auch wenn der Minderjährige keinen Asylantrag stellt, und ein ständiger Vertreter innerhalb von 15 Tagen nach der Antragstellung mit einem Verhältnis von einem Vertreter für 30 unbegleitete Minderjährige); neue Bestimmungen, um zu verhindern, das Kinder verschwinden (Fingerabdruck ab einem Alter von sechs Jahren). Der Zugang zu Bildung muss so bald wie möglich, spätestens jedoch innerhalb von zwei Monaten nach Einreichung eines Antrags, sichergestellt werden.
- Mehr Möglichkeiten der Zusammenführung von Antragstellern mit ihren Familien in anderen Mitgliedstaaten: die familienbezogenen Zuständigkeitskriterien wurden verstärkt, Fälle von Familien müssen priorisiert werden, und es bestehen neue Verpflichtungen in Bezug auf die Suche nach Familienangehörigen. Damit diese Bestimmungen wirksam sind, muss der Antragsteller alle verfügbaren Informationen im Mitgliedstaat der ersten Einreise vorlegen.
- Bessere Garantien in Bezug auf die Achtung der Grundrechte, da die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, einen unabhängigen Mechanismus für die Überwachung der Grundrechte während der ersten Überprüfung und des Asylverfahrens an der Grenze einzurichten.
Das Paket verbessert die Integration von Personen, die internationalen Schutz beantragen, und ihren Familien, einschließlich des Zugangs zum Arbeitsmarkt. So wird beispielsweise das Recht auf Bildung von Kindern gestärkt, wobei der Schwerpunkt auf Kontinuität, Qualität und Integration sowie einem schnelleren Zugang zu Bildung liegt. In diesem Sinne muss der Zugang zu Bildung so bald wie möglich, spätestens jedoch innerhalb von zwei Monaten nach Antragseinreichung, gewährleistet werden.
- Der Zugang zur Gesundheitsversorgung wird für Minderjährige verbessert, und durch eine Kombination von Maßnahmen wird sichergestellt, dass unbegleitete Minderjährige die erforderliche Unterstützung erhalten. Personen, die internationalen Schutz beantragen, haben das Recht auf Arbeit in dem Mitgliedstaat, in dem sie internationalen Schutz beantragen (sechs Monate nach Registrierung des Asylantrags anstatt neun Monaten wie bisher).
Die Richtlinie über Aufnahmebedingungen zielt darauf ab, in allen Mitgliedstaaten Standard-Lebensbedingungen zu schaffen. Sie harmonisiert die bestehenden Vorschriften und Verfahren der Mitgliedstaaten, die verpflichtet sind, die Indikatoren und Leitlinien der EUAA in Bezug auf die Aufnahme zu berücksichtigen.
Die Mitgliedstaaten sind dafür verantwortlich, ausreichende Aufnahmekapazitäten und einen angemessenen Lebensstandard zu gewährleisten, der die körperliche und psychische Gesundheit schützt und mit dem die Charta der Grundrechte geachtet wird.
Die Garantien und Schutzmaßnahmen in Bezug auf die Inhaftnahme werden verbessert. Beispielsweise sollte keine Inhaftnahme erfolgen, wenn dadurch die körperliche und psychische Unversehrtheit von Antragstellern ernsthaft gefährdet wird.
Ein Flüchtling im Sinne der Anerkennungsverordnung ist ein Drittstaatsangehöriger, der sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Die Definition gilt auch für Staatenlose, die sich aus den genannten Gründen außerhalb des Landes des vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts befinden und nicht dorthin zurückkehren können oder wegen dieser Furcht nicht dorthin zurückkehren wollen.
Eine Person mit Anspruch auf „subsidiären Schutz“ ist ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, der die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling nicht erfüllt, der aber stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass er bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland oder, bei einem Staatenlosen, in das Land seines vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts tatsächlich Gefahr liefe, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, und der den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Gefahr nicht in Anspruch nehmen will.
Die Anerkennungsverordnung bietet im Vergleich zur derzeit geltenden Richtlinie folgenden wesentlichen Mehrwert:
- Sie wird eine größere Konvergenz der Asylverfahren und ‑entscheidungen zwischen den Mitgliedstaaten fördern, indem die Mitgliedstaaten verpflichtet werden,
- zu prüfen, ob es eine interne Schutzalternative (sicherer Teil im Herkunftsland) gibt, und in einem solchen Fall den Flüchtlingsstatus nicht zuzuerkennen;
- den internationalen Schutzstatus abzuerkennen, wenn* bestimmte Straftaten begangen wurden oder die Person anderweitig eine Sicherheitsbedrohung darstellt;
- den aktuellen EUAA-Leitlinien für das betreffende Land in dieser Hinsicht Rechnung zu tragen. Darüber hinaus sollten die Informationsmaterialien und Leitlinien der EUAA während des gesamten Entscheidungsprozesses berücksichtigt werden.
- Mit der neuen Verordnung sollen auch klare Rechte und Pflichten von Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, formuliert werden.
- Es ist nun erforderlich, der Person, welcher internationaler Schutz gewährt wurde, harmonisierte Informationen zur Verfügung zu stellen, und die Mitgliedstaaten sind dazu verpflichtet, den Aufenthaltstitel spätestens nach 90 Tagen in einem einheitlichen Format auszustellen.
- Zu Integrationszwecken kann der Zugang zu bestimmten im nationalen Recht vorgesehenen Sozialhilfeleistungen davon abhängig gemacht werden, dass die Person, der internationaler Schutz gewährt wurde, effektiv an Integrationsmaßnahmen teilnimmt.
- Wie auch in anderen Teilen des Pakets werden die Rechte unbegleiteter Minderjähriger gestärkt, was die kindgerechte Bereitstellung von Informationen und die Anforderungen an die Vormunde betrifft.
- Hinsichtlich des Bestehens paralleler nationaler Status einigten sich die beiden gesetzgebenden Organe darauf, dass die Verordnung nicht für nationale humanitäre Status gilt, den die Mitgliedstaaten Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen zuerkennen, die nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen.
- Schließlich zielt die Verordnung darauf ab, die irreguläre Sekundärmigration von Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, zu unterbinden, indem im Falle irregulärer Migrationsbewegungen oder Überschreitungen der zulässigen Aufenthaltsdauer die erforderliche Berechnung der Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts neu begonnen wird.
Wenn die Verfolgung nicht vom Staat ausgeht, müssen die Mitgliedstaaten gemäß der Anerkennungsverordnung (Artikel 8) prüfen, ob es für eine Person, die andernfalls Anspruch auf internationalen Schutz hätte, eine interne Schutzalternative gibt. Dies bedeutet, dass geprüft werden muss, ob es einen Teil des Herkunftslandes gibt, bei dem vernünftigerweise erwartet werden kann, dass sich der Antragsteller dort niederlässt. Bei einer solchen Prüfung sind strenge Bedingungen einzuhalten und die allgemeinen Umstände in dem betreffenden Teil des Landes zu berücksichtigen, insbesondere über aktuelle EUAA-Leitlinien, sowie die persönlichen Umstände des Antragstellers und die Frage, ob er in der Lage wäre, seine eigenen Grundbedürfnisse zu decken. Einige Mitgliedstaaten führen bereits eine solche Prüfung durch, was eine im Rahmen der Anerkennungsrichtlinie eingeräumte Möglichkeit ist.
Wie werden schnelle und effiziente Verfahren sichergestellt?
Schnelle und effiziente Verfahren werden durch die in den Rechtsvorschriften festgelegten konkreten Fristen gewährleistet. Diese müssen von den Mitgliedstaaten bei der Antragsbearbeitung beachtet werden. So gilt beispielsweise das Grenzverfahren für eine begrenzte Dauer. Es darf lediglich 12 Wochen (drei Monate) dauern. Diese Frist kann auf 16 Wochen verlängert werden, wenn der Antragsteller in einen anderen Mitgliedstaat überstellt wird. Dies bietet ausreichend Zeit, um Fälle, die grundsätzlich nicht als komplex eingeschätzt werden, angemessen zu bewerten, und sicherzustellen, dass Personen ohne Aufenthaltsberechtigung schneller und auf würdige Weise zurückgeführt werden können.
- Fristen
In der Asylverfahrensverordnung wird der Zugang zum Verfahren präzisiert und gestrafft, indem klare Fristen für jeden Schritt festgelegt werden. Zu diesen Schritten gehören, dass der Antragsteller den Wunsch äußert, internationalen Schutz zu erhalten (im Folgenden „Antragstellung“), die Behörden den Antrag registrieren (im Folgenden „Registrierung“), und der Antragsteller den Antrag einreicht (im Folgenden „Einreichung“). In der Verordnung wird somit klargestellt, was jeder der drei Schritte mit sich bringt, welche Pflichten der Antragsteller und die Behörden haben und welche Fristen für die einzelnen Schritte gelten.
So sieht die Asylverfahrensrichtlinie derzeit keine Frist für die Einreichung vor. Die Einreichung muss jedoch so bald wie möglich erfolgen. Das Fehlen einer bestimmten Frist hat zu vielen Verzögerungen geführt, da mit der Prüfung eines Asylantrags erst begonnen werden kann, wenn er eingereicht wurde. In der Asylverfahrensverordnung ist für das reguläre Verfahren eine Frist für die Einreichung von 21 Tagen ab der Registrierung festgelegt.
Darüber hinaus sollte das reguläre Verfahren nach derzeitiger Regelung sechs Monate dauern. Gemäß der Asylverfahrensrichtlinie können die Mitgliedstaaten unter bestimmten Umständen die Dauer des regulären Prüfverfahrens um weitere neun Monate verlängern. Die Asylverfahrensverordnung wird, sobald sie in Kraft ist, eine Verlängerung um lediglich weitere sechs Monate gestatten. Somit wird das reguläre Verfahren 6+6 Monate dauern statt – wie derzeit – 6+9 Monate.
- Beschleunigtes Verfahren und Unzulässigkeitsverfahren
Zurzeit ist das beschleunigte Verfahren fakultativ. Neben dem Grenzverfahren wird das beschleunigte Verfahren durch die Asylverfahrensverordnung in der gesamten Union verbindlich vorgeschrieben. Darüber hinaus sieht die Asylverfahrensverordnung eine klare Frist von drei Monaten für den Abschluss des beschleunigten Verfahrens vor, während in der Asylverfahrensrichtlinie keine Frist vorgesehen ist. Ebenso enthält die Asylverfahrensrichtlinie keine Fristen für die Prüfung der Unzulässigkeit, in der Asylverfahrensverordnung werden jedoch nun klare Fristen festgelegt (je nach Fall zehn Tage bis zwei Monate).
- Umgang mit missbräuchlichen oder Folgeanträgen
Aktuell gibt es viele Fälle, in denen Personen das System missbrauchen, beispielsweise durch eine Antragstellung in letzter Minute, um die Vollstreckung einer Rückkehrentscheidung zu verzögern, oder die mehrfache Antragstellung (Folgeanträge), ohne dass neue Elemente zur Begründung des Antrags vorgelegt werden. Diese missbräuchlichen und Folgeanträge unterliegen in der Regel einem beschleunigten Verfahren, je nach Fall an der Grenze oder im Hoheitsgebiet. Außerdem gilt: Wenn eine Person untertaucht und ihren Antrag in einem anderen Mitgliedstaat stellt, muss dieser Mitgliedstaat nur die Grundbedürfnisse des Antragstellers abdecken und den Antrag als Folgeantrag behandeln (wenn die Person nicht in den ersten Mitgliedstaat zurückgeschickt werden kann).
Zudem ist es zwingend erforderlich, einen Antrag als stillschweigend zurückgenommen abzulehnen, sobald einer der in dem einschlägigen Artikel vorgesehenen Gründe vorliegt (d. h. wenn die Person die Abgabe ihrer Fingerabdrücke oder anderer biometrischer Daten verweigert). Derzeit müssen die Behörden, wenn ein Grund für eine stillschweigende Zurücknahme vorliegt, die Prüfung des Antrags für einen Zeitraum von mindestens neun Monaten einstellen bzw. aussetzen, bevor sie eine Entscheidung treffen. Wenn die Person in diesem Zeitraum die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt, müssen die Behörden dies tun. Darüber hinaus ist die Weigerung, biometrische Daten zu liefern, derzeit ein Grund für die Anwendung des beschleunigten Verfahrens, nicht aber ein Grund, den Antrag als stillschweigend zurückgenommen abzulehnen.
Schließlich wird der Rechtsbehelf bei den meisten missbräuchlichen Anträgen und Folgeanträgen keine automatische aufschiebende Wirkung haben, was bedeutet, dass die Behörden die Rückkehrentscheidung vollstrecken können, wenn der Antrag abgewiesen wurde und der Person nicht von einem Gericht der Verbleib gestattet wurde.
Die Union wird erstmals über einen dauerhaften obligatorischen Solidaritätsmechanismus verfügen. Kein Mitgliedstaat, der unter Druck steht, wird allein gelassen. Gleichzeitig wird jeder Mitgliedstaat flexibel zu den Solidaritätsbemühungen beitragen und wählen können, welche Art von Solidarität er anbieten möchte. Das System wird auch wirksame Vorschriften zur Aufdeckung und Verhinderung von Sekundärmigration enthalten.
Um entscheiden zu können, wer Solidarität genießt, bewertet die Kommission, welche Mitgliedstaaten unter Migrationsdruck stehen oder mit einer ausgeprägten Migrationslage konfrontiert sind.
Migrationsdruck wird hauptsächlich definiert durch eine große Zahl von Ankünften (oder durch ein entsprechendes Risiko) oder Anträgen, was für ein gut vorbereitetes System unverhältnismäßige Verpflichtungen mit sich bringt (weil dieser Mitgliedstaat für die Prüfung einer großen Zahl von Anträgen zuständig sein wird).
Bei einer ausgeprägten Migrationslage werden die kumulativen Auswirkungen aktueller und früherer jährlicher Ankünfte von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen betrachtet. In einer ausgeprägten Migrationslage ist der entscheidende Faktor nicht die Zahl der Ankünfte (diese muss nicht hoch sein), sondern deren kumulative Auswirkungen, sodass ein gut vorbereiteter Mitgliedstaat aufgrund dieser Kumulierung im Laufe der Zeit die Grenzen seiner Kapazitäten erreichen könnte. Dies könnte beispielsweise in Mitgliedstaaten der Fall sein, die im Laufe der Zeit mit Sekundärmigration konfrontiert sind.
Die Kommission wird jedes Jahr bis zum 15. Oktober Folgendes annehmen: einen jährlichen Bericht zur Bewertung der Migrationslage; einen Durchführungsbeschluss, mit dem festgestellt wird, ob ein bestimmter Mitgliedstaat im kommenden Jahr Migrationsdruck ausgesetzt oder von Migrationsdruck bedroht ist oder mit einer ausgeprägten Migrationslage konfrontiert ist, und einen Vorschlag für einen Durchführungsrechtsakt des Rates mit der Zahl der für das kommende Jahr erforderlichen Übernahmen und finanziellen Solidaritätsbeiträge. Bei der Erstellung ihres jährlichen Berichts muss die Kommission eine Reihe qualitativer und quantitativer Indikatoren berücksichtigen. Dazu gehören: die Zahl der nach Such- und Rettungseinsätzen ausgeschifften Personen; die Zahl der Anträge auf internationalen Schutz; die Zahl der Personen, die dem Grenzverfahren unterliegen; die Zahl der Personen, denen vorübergehender Schutz gewährt wurde. Zu den qualitativen Indikatoren zählen Situationen der Instrumentalisierung sowie Ausmaß und Trends unerlaubter Migrationsbewegungen.
In Bezug auf die im jeweiligen Fall zur Verfügung stehende Unterstützung:
1) Mitgliedstaaten, die unter Migrationsdruck stehen, können Unterstützung in Form von Übernahmen, Finanzbeiträgen oder alternativen Solidaritätsmaßnahmen (d. h. Personal- und Sachleistungen) erhalten. Sie können auch eine vollständige oder teilweise Kürzung ihrer Solidaritätszusage erhalten.
2) Mitgliedstaaten, die sich in einer ausgeprägten Migrationslage befinden, können nur eine teilweise oder vollständige Kürzung ihrer zugesagten Solidaritätsbeiträge in Anspruch nehmen.
Mitgliedstaaten, die mit einer „ausgeprägten Migrationslage“ konfrontiert sind, können eine teilweise oder vollständige Kürzung ihrer Solidaritätsbeiträge beantragen. Das Verfahren ähnelt jenem der Mitgliedstaaten, die unter Migrationsdruck stehen.
- Hat die Kommission vorab festgestellt, dass der Mitgliedstaat mit einer ausgeprägten Migrationslage konfrontiert ist, muss der Mitgliedstaat bei der Kommission ein entsprechendes Ersuchen mit entsprechenden Informationen stellen.
- Wurde dies bei dem Mitgliedstaat nicht vorab festgestellt, sind die von ihm vorzulegenden Informationen detaillierter (da der Mitgliedstaat begründen muss, warum er mit einer ausgeprägten Migrationslage konfrontiert ist). Die Kommission bewertet die Informationen und entscheidet, ob der Mitgliedstaat mit einer ausgeprägten Migrationslage konfrontiert ist.
- Letztlich bewilligt der Rat dem Mitgliedstaat eine vollständige oder teilweise Kürzung, nachdem die Kommission entschieden hat, dass sich dieser Mitgliedstaat in einer ausgeprägten Migrationslage befindet.
Die Verordnung zur Bewältigung von Krisensituationen und Situationen höherer Gewalt sieht im Vergleich zu dem in der Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement festgelegten Rahmen mehr Solidarität bei „Migrationsdruck“ oder „ausgeprägter Migrationslage“ vor:
- Erstens sind die Solidaritätsmaßnahmen auf den Mitgliedstaat ausgerichtet, der von der Krise betroffen ist: Im Rahmen der Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement ist die Solidarität Bestandteil eines jährlichen Zyklus, der die Einrichtung eines Solidaritätspools für die potenzielle Nutzung durch eine Reihe von Mitgliedstaaten umfasst, die von der Kommission als unter Druck stehend eingestuft wurden oder die im Laufe des Jahres als unter Druck stehend eingestuft werden könnten. Das bedeutet, dass der Solidaritätspool von allen Mitgliedstaaten geteilt werden muss, die nach dem Beschluss des Rates zur Einrichtung des Pools ihre Absicht zum Ausdruck bringen, ihn zu nutzen. In Krisensituationen werden für jeden Mitgliedstaat auf der Grundlage des Ersuchens des betreffenden Mitgliedstaats und einer Bewertung seiner spezifischen Bedürfnisse spezielle Solidaritätspools eingerichtet.
- Zweitens wird ein schnelleres Verfahren zur Anwendung kommen. Im Rahmen der Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement sollte der Durchführungsrechtsakt zur Einrichtung des Solidaritätspools vor Ablauf des Vorjahres erlassen werden. Dies bedeutet, dass zwischen der Bewertung durch die Kommission, mit der festgestellt wird, welche Mitgliedstaaten unter Druck stehen, und welcher Bedarf für das folgende Jahr besteht (jeweils am 15. Oktober) und dem Erlass des Durchführungsrechtsakts zur Einrichtung des Solidaritätspools eineinhalb bis zwei Monate liegen. In Krisensituationen sollte der Durchführungsrechtsakt zur Einrichtung des spezifischen Solidaritätspools zugunsten eines Mitgliedstaats innerhalb von drei Wochen nach dem Zeitpunkt erlassen werden, zu dem festgestellt wurde, dass sich die betreffenden Mitgliedstaaten in einer Krisensituation befinden.
- Drittens muss der gesamte Übernahmebedarf des Mitgliedstaats gedeckt werden. Um dies zu gewährleisten, sieht die Krisenverordnung eine Reihe von Maßnahmen vor:
- Der Mitgliedstaat, der sich in einer Krisensituation befindet, erhält Zugang zum jährlichen Solidaritätspool (im Rahmen des jährlichen Zyklus der Asyl- und Migrationsmanagement-Verordnung), wenn noch Übernahmezusagen verfügbar sind.
- Wenn keine Übernahmezusagen verfügbar sind oder der spezifische Solidaritätspool, der für den Krisenmitgliedstaat eingerichtet wurde, nicht genügend Übernahmezusagen enthält, um den gesamten Übernahmebedarf zu decken, kommt die sogenannte „Verrechnung der Verantwortlichkeiten“ (bereits in der Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement) zum Tragen. Das bedeutet, dass der beitragende Mitgliedstaat die Zuständigkeit für Anträge übernimmt, für die der mit einer Krisensituation konfrontierte Mitgliedstaat als zuständig bestimmt wurde.
- Beitragende Mitgliedstaaten mit Verrechnungsfällen werden gegebenenfalls verpflichtet sein, die Zuständigkeit für die Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz über ihren gerechten Anteil hinaus zu übernehmen (im Gegensatz zur Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement, bei der der beitragende Mitgliedstaat niemals über seinen gerechten Anteil hinaus beitragen muss). In diesem Fall können diese Mitgliedstaaten den zusätzlichen Teil von etwaigen künftigen Solidaritätsbeiträgen abziehen.
- Anders als im Rahmen der Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement muss daher in Krisensituationen der gesamte Übernahmebedarf von den beitragenden Mitgliedstaaten durch die Verrechnung der Verantwortlichkeiten gedeckt werden, wenn er nicht durch Übernahmen gedeckt wird.
- Es gibt jedoch auch einige wichtige Grundsätze aus der Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement, die auch in einer Krisensituation gelten:
- Die Solidaritätsmaßnahmen, die in den Pool aufgenommen werden können, sind dieselben wie in der Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement: Sie können in Form von Übernahmen, Finanzbeiträgen, alternativen Solidaritätsmaßnahmen oder einer Kombination der genannten Maßnahmen erfolgen (wie in der Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement).
- Es liegt im alleinigen Ermessen der Mitgliedstaaten, zwischen den Solidaritätsmaßnahmen zu wählen, sodass es unter keinen Umständen zu einer obligatorischen Übernahme kommen kann.
Die Kommission wird jedes Jahr einen „Solidaritätspool“ vorschlagen, in dem der Bedarf für das Jahr in absoluten Zahlen ermittelt wird: die Gesamtzahl der Übernahmen und die Gesamtzahl der Finanzbeiträge.
In der Verordnung sind Mindestschwellen für Übernahmen und Finanzbeiträge vorgesehen, die die Kommission bei der Berechnung des Bedarfs für das Jahr und in ihrem jährlichen Vorschlag für einen Durchführungsrechtsakt des Rates einhalten muss. Diese Mindestschwellen liegen bei 30 000 Übernahmen und 600 Mio. EUR für Finanzbeiträge auf Unionsebene pro Jahr. Die Kommission kann jedoch auch höhere Zahlen vorschlagen. Bei der Berechnung des Bedarfs muss die Kommission die für das nächste Jahr prognostizierten Ankünfte berücksichtigen, auch auf der Grundlage des Bedarfs des Vorjahres. Bei der Berechnung sollte auch berücksichtigt werden, dass die Mitgliedstaaten, die Nutzen aus dem Pool ziehen werden, nicht verpflichtet sind, ihre zugesagten Solidaritätsbeiträge zu erfüllen.
Schlägt die Kommission unter Berücksichtigung all dieser Faktoren höhere Zahlen für Übernahmen und Finanzbeiträge vor als die in der Verordnung festgelegten Mindestschwellen, so muss die Kommission das in der Verordnung festgelegte Verhältnis zwischen Übernahmen und Finanzbeiträgen einhalten, um sicherzustellen, dass alle Solidaritätsmaßnahmen gleichwertig sind. Dies entspricht einem Verhältnis von 1 Übernahme/20 000 EUR.
Nur in Ausnahmefällen kann die Kommission Zahlen unterhalb des Schwellenwerts vorschlagen. Der Kommissionsvorschlag wird auch eine Angabe dazu enthalten, wie hoch der „gerechte Anteil“ der einzelnen beitragenden Mitgliedstaaten an den Solidaritätsmaßnahmen auf der Grundlage des BIP und der Bevölkerung jedes Landes wäre.
Dieser Vorschlag dient als Grundlage für die Zusagen der Mitgliedstaaten hinsichtlich ihrer konkreten Beiträge. Diese Beiträge können in Form von Übernahmen, Finanzbeiträgen oder Sachleistungen erfolgen. Alle Mitgliedstaaten sind verpflichtet, ihren gerechten Anteil an Beiträgen zu leisten, können sich jedoch frei für eine oder mehrere der drei Arten von Solidaritätsmaßnahmen entscheiden. Entscheidet sich ein Mitgliedstaat für die Bereitstellung von Sachleistungen, so wird der finanzielle Wert dieser Hilfe berechnet, um die Einhaltung des vorgeschriebenen gerechten Anteils bestätigen zu können.
Die Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement sieht auch die Möglichkeit vor, einen Teil des Solidaritätspools für Mitgliedstaaten mit Seeaußengrenzen vorzusehen, die durch eine große Zahl von Ankünften aufgrund von Ausschiffungen im Anschluss an Such- und Rettungsmaßnahmen unter Druck geraten sind. All diese Elemente müssen im Vorschlag der Kommission für einen Durchführungsrechtsakt des Rates berücksichtigt werden.
Bei der Annahme des Vorschlags der Kommission legt der Rat letztlich die Gesamtzahl der Übernahmen und der Finanzbeiträge für das Jahr fest, einschließlich der möglichen Zweckbindung des Solidaritätspools für Mitgliedstaaten, die aufgrund zahlreicher Ankünfte durch Such- und Rettungseinsätze unter Druck stehen.
Die Gesamtzahl der Übernahmen und der Finanzbeiträge wird als Referenzwert verwendet, um die Beiträge der einzelnen Mitgliedstaaten entsprechend dem gerechten Anteil zu berechnen. Da es ihnen freisteht, zwischen den verschiedenen Arten von Solidarität zu wählen, ist nicht zu erwarten, dass in einem Jahr beide Schwellenwerte (d. h. 30 000 Übernahmen und 600 Mio. EUR an Finanzbeiträgen) erreicht werden. Die Gesamtzahl der Übernahmen, die in der Verordnung und im Durchführungsrechtsakt des Rates zur Einrichtung des Solidaritätspools festgelegt ist, hat jedoch erhebliche rechtliche Folgen, da die Union verpflichtet ist, ein gewisses Mindestmaß an „Solidarität hinsichtlich der betroffenen Menschen“ zu erfüllen, d. h. jedes Jahr entweder durch Übernahmen oder durch Verrechnung der Verantwortlichkeiten. Dieser Mindestanteil beträgt 60 % der Gesamtzahl der Übernahmen, die im Beschluss des Rates zur Einrichtung des jährlichen Solidaritätspools angegeben sind, oder 30 000 Übernahmen, je nachdem, welche Zahl höher ist.
Die Kommission wird die Lehren aus dem freiwilligen Solidaritätsmechanismus berücksichtigen, bei dem auf freiwilliger Basis Übernahmen aus den Ländern der ersten Einreise in andere Mitgliedstaaten stattfanden.
Neben anderen Maßnahmen können die Mitgliedstaaten andere Mitgliedstaaten, die unter Migrationsdruck stehen, durch Finanzbeiträge unterstützen, die über den Unionshaushalt umgesetzt werden. Dies bedeutet, dass Finanzbeiträge der beitragenden Mitgliedstaaten zum EU-Haushalt in Form externer zweckgebundener Einnahmen im Rahmen des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (im Folgenden „AMIF“) und des Instruments für finanzielle Hilfe im Bereich Grenzverwaltung und Visumpolitik (im Folgenden „BMVI“) geleistet werden. Diese zusätzlichen Finanzmittel werden anschließend von der Kommission im Wege einer Änderung ihrer jeweiligen Programme den begünstigten Mitgliedstaaten zugeführt.
Die begünstigten Mitgliedstaaten können im Einklang mit dem Anwendungsbereich der Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement und der AMIF- oder BMVI-Verordnung finanzielle Beiträge für einschlägige Maßnahmen in ihrem Hoheitsgebiet verwenden. Im Falle des AMIF können mit Finanzbeiträgen auch Maßnahmen in Drittländern unterstützt werden – im Rahmen spezifischer Garantien und nur im Rahmen des AMIF. Dies bedeutet, dass es nicht möglich ist, grenzbezogene Tätigkeiten in einem Drittland im Rahmen der finanziellen Solidarität zu finanzieren. Maßnahmen in Drittländern müssen unter uneingeschränkter Einhaltung der Grundrechte erfolgen und können dazu beitragen, das Schutzsystem dieser Drittländer zu stärken. Ein begünstigter Mitgliedstaat kann beschließen, beispielsweise den Ausbau der Kapazitäten von Drittländern zur Verbesserung der Asyl- und Aufnahmesysteme für schutzbedürftige Personen, einschließlich Kindern, zu finanzieren. Ein begünstigter Mitgliedstaat kann auch Maßnahmen im Zusammenhang mit der Förderung von Mobilitätspartnerschaften oder Programmen zur freiwilligen Rückkehr und Wiedereingliederung aus einem Drittstaat finanzieren.
Wenn ein Mitgliedstaat unter Druck steht, besteht eine wichtige Maßnahme zur Verringerung dieses Drucks darin, die Zahl der Asylanträge zu verringern, die der betreffende Mitgliedstaat prüfen muss (d. h. der unter Druck stehende Mitgliedstaat wird von der Zuständigkeit für eine bestimmte Anzahl von Asylsuchenden entlastet). In der Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement sind zwei Möglichkeiten vorgesehen, um die Zuständigkeit des unter Druck stehenden Mitgliedstaats für eine bestimmte Anzahl von Asylsuchenden zu verringern:
- Überstellung von Personen, die internationalen Schutz beantragt haben, in andere Mitgliedstaaten. In diesem Fall wird ein Antragsteller, für den der unter Druck stehende Mitgliedstaat zuständig ist, in einen anderen Mitgliedstaat überstellt, der dann für die Prüfung des Asylantrags zuständig wird.
- Verringerung der Zahl der Antragsteller, die in den unter Druck stehenden Mitgliedstaat zurückgeschickt werden müssten, mithilfe der „Verrechnung der Verantwortlichkeiten“. Diese Maßnahme gilt für diejenigen, deren Asylanträge von dem unter Druck stehenden Mitgliedstaat hätten geprüft werden müssen, die jedoch auf unerlaubte* Weise in einen anderen Mitgliedstaat weitergereist sind. Gemäß den Zuständigkeitsvorschriften müssten diese Antragsteller in den unter Druck stehenden Mitgliedstaat zurückgeschickt werden. Der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller physisch aufhält, übernimmt jedoch die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags, anstatt den Antragsteller wieder in den unter Druck stehenden Mitgliedstaat zu überstellen. Beispiel: Land A wurde gebeten, 20 Personen aus Land B zu übernehmen, kann sich aber stattdessen dafür entscheiden, die Zuständigkeit für 20 Personen zu übernehmen, die sich bereits in Land A aufhalten, für die jedoch normalerweise Land B zuständig ist und die Land A normalerweise in Land B zurückschicken könnte. Dies gilt als eine Form der Solidarität.
Da das Ziel beider Maßnahmen darin besteht, die Zahl der Antragsteller zu verringern, deren Asylanträge in die Zuständigkeit des unter Druck stehenden Mitgliedstaats fallen würden, werden diese beiden Maßnahmen – Übernahme und Verrechnung der Verantwortlichkeiten – als „Solidarität hinsichtlich der betroffenen Menschen“ bezeichnet.
Zwar gibt es keine verpflichtende Übernahme, doch kann in bestimmten Fällen die „Verrechnung von Verantwortlichkeiten“ vorgeschrieben werden, unter anderem, wenn die Übernahmezusagen nicht ausreichen, um ein Minimum des Übernahmebedarfs (30 000 bzw. 60 % des vom Rat in seinem Beschluss über die Einrichtung des jährlichen Solidaritätspools ermittelten Übernahmebedarfs, je nachdem, welche Zahl höher ist) zu decken. Auf diese Weise haben Mitgliedstaaten, die unter Druck stehen, die Garantie, dass sie „Solidarität hinsichtlich der betroffenen Menschen“ erhalten, d. h. von der Zuständigkeit für eine bestimmte Zahl von Asylbewerbern entlastet werden. Da die Verrechnung von Verantwortlichkeiten jedoch nur bei Antragstellern angewandt werden kann, die sich bereits im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats befinden, der die Verrechnung beantragt, kann ein Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet es keine Antragsteller für eine Verrechnung gibt, nicht verpflichtet werden, eine Verrechnung vorzunehmen. Darüber hinaus ist kein Mitgliedstaat verpflichtet, über seinen gerechten Anteil hinaus Antragsteller zu verrechnen. Sowohl Übernahmen als auch die Verrechnung von Verantwortlichkeiten werden von einem Solidaritätskoordinator in der Kommission überwacht.
Die Reform umfasst eine Reihe von Schutzmaßnahmen sowie gegenseitige Kontrollen, die Anreize für die Einhaltung der Vorschriften schaffen und die Umsetzung des Solidaritätsmechanismus erleichtern dürften.
Beispiel:
- Nur Mitgliedstaaten mit gut vorbereiteten Systemen kommen für Solidaritätsmaßnahmen oder für Kürzungen ihrer Solidaritätsverpflichtungen in Betracht. Ein gut vorbereitetes System ist eine der Hauptanforderungen in der Definition von „Migrationsdruck“ (der eine Voraussetzung für den Erhalt von Solidaritätsbeiträgen ist) und „ausgeprägter Migrationslage“ (die es den Mitgliedstaaten ermöglicht, Kürzungen ihrer Solidaritätsbeiträge in Anspruch zu nehmen).
- Wenn ein Mitgliedstaat seine Solidaritätsverpflichtungen nicht zusagt oder ihnen nicht nachkommt, kann der begünstigte Mitgliedstaat eine Verrechnung erzwingen, und die Kommission kann die Finanzbeiträge (gegebenenfalls) zurückfordern.
- Kommt ein Mitgliedstaat seinen Verpflichtungen in Bezug auf seine Zuständigkeit nicht nach, so sind die anderen Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, die Solidaritätsverpflichtungen gegenüber diesem Mitgliedstaat einzuhalten.
- Wenn es nicht genügend Übernahmezusagen gibt, um das von der Union zu gewährleistende Mindestmaß an „Solidarität hinsichtlich der betroffenen Menschen“ zu erfüllen, wird die Verrechnung von Verantwortlichkeiten verpflichtend vorgeschrieben und dient als Letztsicherung, um ein Mindestmaß an Solidarität hinsichtlich der betroffenen Menschen auf EU-Ebene sicherzustellen (d. h. die Mitgliedstaaten, die unter Druck stehen, werden dadurch entlastet, dass sie nicht jährlich die Zuständigkeit für eine bestimmte Zahl von Menschen übernehmen).
- Das hochrangige Solidaritätsforum, das sich aus den Ministern der Mitgliedstaaten zusammensetzt, kann jederzeit einberufen werden, wenn ein Problem besteht, einschließlich der Notwendigkeit einer neuen Zusicherung, wobei die tägliche Einsatzfähigkeit der Solidarität durch das Solidaritätsforum auf Fachebene sichergestellt wird.
- Wenn die Mitgliedstaaten innerhalb von zwei Jahren die Vorschriften nicht einhalten, kann die Kommission von ihren Befugnissen nach dem Vertrag Gebrauch machen (Vertragsverletzung).
„Migrationsdruck“ ist eine Situation, die durch die Anzahl der Ankünfte auf dem Land-, See- oder Luftweg oder der Anträge von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen entsteht, die so groß ist, dass sie für einen Mitgliedstaat – auch mit einem gut vorbereiteten Asyl-, Aufnahme- und Migrationssystem – unverhältnismäßige Verpflichtungen mit sich bringt, unter Berücksichtigung der Gesamtsituation in der Union, und, und die sofortiges Handeln, insbesondere Solidaritätsbeiträge, erfordert, und unter Berücksichtigung der Besonderheiten der geografischen Lage eines Mitgliedstaats. Der Begriff „Migrationsdruck“ deckt Situationen ab, in denen eine große Zahl von Ankünften von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen oder die Gefahr einer großen Zahl solcher Ankünfte besteht, auch dann, wenn diese Ankünfte auf wiederkehrende Ausschiffungen nach Such- und Rettungseinsätzen oder auf unerlaubte Migrationsbewegungen von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen zwischen den Mitgliedstaaten zurückzuführen sind.
Eine „ausgeprägte Migrationslage“ ist eine Situation, in der die kumulative Wirkung aktueller und früherer jährlicher Ankünfte von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen ein gut vorbereitetes Asyl-, Aufnahme- und Migrationssystem an die Grenzen seiner Kapazität bringt.
Migrationsdruck wird hauptsächlich definiert durch eine große Zahl von Ankünften (oder durch ein entsprechendes Risiko) oder Anträgen, was für ein gut vorbereitetes System unverhältnismäßige Verpflichtungen mit sich bringt (weil dieser Mitgliedstaat für die Prüfung einer großen Zahl von Anträgen zuständig sein wird).
In einer „ausgeprägten Migrationslage“ ist der entscheidende Faktor nicht die Zahl der Ankünfte (diese muss nicht hoch sein), sondern es geht um deren kumulative Auswirkungen, sodass ein gut vorbereiteter Mitgliedstaat aufgrund dieser Kumulierung im Laufe der Zeit die Grenzen seiner Kapazitäten erreichen könnte. Dies könnte beispielsweise in Mitgliedstaaten der Fall sein, die im Laufe der Zeit mit Sekundärmigration konfrontiert sind.
Ein Mitgliedstaat unter Migrationsdruck kann Zugang zu Solidaritätsmaßnahmen erlangen und/oder eine vollständige oder teilweise Kürzung seiner Solidaritätszusage erhalten, während ein Mitgliedstaat, der sich in einer ausgeprägten Migrationslage befindet, lediglich eine vollständige oder teilweise Kürzung seiner Solidaritätszusage erhalten kann.
Wenn die Kommission bewertet, ob ein Mitgliedstaat Migrationsdruck ausgesetzt ist oder sich in einer ausgeprägten Migrationslage befindet, muss sie eine Reihe quantitativer Indikatoren berücksichtigen. Dazu gehören: die Zahl der nach Such- und Rettungseinsätzen ausgeschifften Personen; die Zahl der Anträge auf internationalen Schutz; die Zahl der Personen, die dem Grenzverfahren unterliegen; die Zahl der Personen, denen vorübergehender Schutz gewährt wurde, sowie eher qualitative Indikatoren wie Situationen der Instrumentalisierung, Ausmaß und Trends unerlaubter Migrationsbewegungen.
Die Zuständigkeit für die Prüfung von Asylanträgen wird klarer geregelt. Mit den neuen Vorschriften werden die Zuständigkeitskriterien und die Regeln für die Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, verbessert:
- Beantragung des internationalen Schutzes im Mitgliedstaat der ersten Einreise (sofern die die Person nicht im Besitz eines gültigen Visums oder Aufenthaltstitels ist oder visumfrei in die Union reisen darf), in dem sich der Antragsteller während der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats aufhalten muss;
- uneingeschränkte Zusammenarbeit mit den für die Identifizierung zuständigen Behörden des zuständigen Mitgliedstaats, einschließlich der Verpflichtung zur Zusammenarbeit bei der Erhebung biometrischer Daten und zur Vorlage von Dokumenten, die für die Identitätsfeststellung relevant sind;
- Einhaltung der Überstellungsentscheidung und uneingeschränkte Zusammenarbeit bei ihrer Durchführung.
Die Nichteinhaltung dieser Verpflichtungen hat für den Antragsteller klare rechtliche Folgen, wie z. B.:
- Sämtliche materiellen Leistungen im Rahmen der Aufnahme werden nur in dem Mitgliedstaat gewährt, in dem sich der Antragsteller nach den Vorschriften der Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement aufhalten müsste; wenn sich der Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat aufhält, werden nur die Grundbedürfnisse abgedeckt.
- Die Behörden der Mitgliedstaaten, die die Zuständigkeit festlegen, sind verpflichtet, das Verfahren (die Bestimmung) fortzusetzen, auch wenn sich der Antragsteller nicht in ihrem Hoheitsgebiet aufhält, d. h., der Antragsteller, der gegen die Verpflichtung zum Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat verstößt, hat keinen Anspruch auf eine persönliche Anhörung und auf die Erteilung/Erläuterung von Informationen zu seinem Fall.
- Die Nichteinhaltung der Überstellungsentscheidung sowie das Untertauchen nach dem Ergehen einer Überstellungsentscheidung führen zu einer Verlängerung der Frist für die Durchführung der Überstellung (von 18 Monaten nach den früheren Vorschriften auf drei Jahre nach den neuen Vorschriften).
Die Pflichten der Antragsteller wurden klarer und strenger formuliert.
Für den Fall, dass ein Antragsteller unerlaubt von einem Mitgliedstaat in einen anderen weiterreist, sieht die Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement die Möglichkeit vor, die Person aus dem Mitgliedstaat, in dem sie sich physisch aufhält, in den Mitgliedstaat zu überstellen, in dem sie sich rechtmäßig aufhalten muss. Diese Überstellung wird als „Wiederaufnahmeverfahren“ bezeichnet.
Das frühere langwierige und komplizierte Wiederaufnahmeverfahren, das auf Ersuchen zwischen den Mitgliedstaaten und dem Austausch von Beweismitteln und Indizien beruhte, wird künftig zu einem einfachen Mitteilungsverfahren. Dies bedeutet, dass der Mitgliedstaat, in dem sich die Person ohne (rechtlichen) Grund aufhält, den zuständigen Mitgliedstaat lediglich zu benachrichtigen braucht und dann die Überstellungsentscheidung zügig vornehmen kann.
Wenn die Wiederaufnahmemitteilung nicht rechtzeitig (durch den Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich die Person aufhält) übermittelt wird, erfolgt keine Verschiebung der Zuständigkeit. Das bedeutet, dass die Mitgliedstaaten die Anwesenheit der Person jederzeit mitteilen und daraufhin ihre Überstellung organisieren können.
Wenn eine Person in der Union ankommt und um internationalen Schutz nachsucht, muss der Mitgliedstaat der ersten Einreise bestimmen, welcher Mitgliedstaat zuständig ist. Eines der schwierigsten Kriterien ist das Familienkriterium (d. h. wenn ein Antragsteller einen Familienangehörigen in einem anderen Mitgliedstaat hat). Personen, die bei ihrer Ankunft in der Union einen Antrag stellen und Familienangehörige in anderen Mitgliedstaaten haben, warten häufig nicht bis zum Abschluss des Verfahrens im Mitgliedstaat der ersten Einreise, da es sich um ein langwieriges und bürokratisches Verfahren handelt. Stattdessen begeben sie sich direkt in den Mitgliedstaat, in dem sich ihre Familienangehörigen aufhalten.
Gemäß der Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement müssen die Mitgliedstaaten Familienfälle priorisieren und entschlossenere Maßnahmen ergreifen, um die Ermittlung von Familienangehörigen zu unterstützen. Die Fristen für die Beantwortung zwischen den Mitgliedstaaten werden kürzer sein, und die Mitgliedstaaten werden verpflichtet sein, unnötige, komplizierte Nachweise (z. B. einen DNA-Test oder Originale von Heirats- oder Geburtsurkunden) zu vermeiden, wenn die Indizien kohärent, überprüfbar und hinreichend detailliert sind.
Die EUAA wird so bald wie möglich ein vom Antragsteller auszufüllendes Musterformular zur schnelleren und effizienteren Ermittlung von Familienfällen sowie Leitlinien zur Unterstützung der Identifizierung von und der Suche nach Familienangehörigen entwickeln. Diese Maßnahmen sowie die Ausweitung der Definition des Begriffs „Familienangehörige“ auf Familien auf der Durchreise und weitere Verbesserungen (d. h. neue Zuständigkeitskriterien für Zeugnisse) dürften das System gerechter und effizienter machen und dadurch einige der Pull-Faktoren verringern, die dazu führen, dass Menschen unerlaubt weiterreisen.
Einbeziehung des Themas Migration in internationale Partnerschaften
Verhinderung irregulärer Ausreisen
Die EU richtet maßgeschneiderte umfassende Partnerschaften mit wichtigen Partnerländern ein, die sich auf mehrere Bereiche der Zusammenarbeit wie Wirtschaft, Handel, grüne Energie und Digitalisierung sowie Migrationsmanagement und Sicherheit konzentrieren.
Diese werden durch Aktionspläne zur Bewältigung der Migrationsherausforderungen im Rahmen eines Gesamtrouten-Konzepts ergänzt.
Darüber hinaus werden weitere Instrumente wie operative Partnerschaften zur Bekämpfung der Schleuserkriminalität mit wichtigen Partnerländern (d. h. Westbalkan, Marokko und Tunesien) mit Maßnahmen zur Intensivierung der Zusammenarbeit und zur Bewältigung der Herausforderungen im Zusammenhang mit Schleuserkriminalität, Menschenhandel und irregulärer Migration aus Transitländern nach Europa umgesetzt. Diese Maßnahmen werden auch durch Initiativen und Maßnahmen zur Eindämmung irregulärer Ausreisen unterstützt, wie z. B. mehr legale Migrationswege nach Europa durch die Umsetzung von Fachkräftepartnerschaften, verstärkte Schutz- und Asylmechanismen in Partnerländern, die Bereitstellung von Rückkehr- und Wiedereingliederungsmöglichkeiten aus Transitländern und die Bekämpfung der Ursachen der Migration.
Die EU hat im November 2023 die Globale Allianz zur Bekämpfung der Schleuserkriminalität ins Leben gerufen, um die Zusammenarbeit mit Partnerländern in den Bereichen Prävention, Reaktion, Schutz und Alternativen zur irregulären Migration zu stärken. Dies ist ein wichtiger Schritt bei der gemeinsamen Bekämpfung der Schleuserkriminalität mit unseren Partnern. Es braucht ein Netz, um ein Netz zu bekämpfen.
Darüber hinaus laufen viele verschiedene Projekte zur Bekämpfung der Schleuserkriminalität. Die Projekte der gemeinsamen operativen Partnerschaft bringen Strafverfolgungs- und Justizbehörden zusammen, um Kapazitäten zur Bekämpfung krimineller Netzwerke zu entwickeln, und die Informations- und Sensibilisierungsprojekte informieren über das Risiko irregulärer Migration und stellen Informationen über alternative legale Migrationswege bereit.
Die Kommission schlägt vor, ihren Rechtsrahmen mit einer Richtlinie zu verbessern, in der Mindestvorschriften zur Verhinderung und Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt in der Union festgelegt werden. Dies wurde auf der Internationalen Konferenz zu einer Globalen Allianz zur Bekämpfung der Schleuserkriminalität im November 2023 vorgestellt. Mit der Richtlinie werden die folgenden fünf Ziele verfolgt:
- wirksame strafrechtliche Verfolgung von organisierten kriminellen Netzwerken;
- harmonisierte Sanktionen, die der Schwere der Straftat Rechnung tragen;
- Ausweitung der Hoheitsgewalt;
- Stärkung der Ressourcen und Kapazitäten der Mitgliedstaaten;
- Verbesserung der Erhebung und Meldung von Daten.
Im Rahmen der neuen Rechtsvorschriften zur Bekämpfung der Schleuserkriminalität werden mit dem Vorschlag für eine Verordnung zur Verstärkung der polizeilichen Zusammenarbeit bei der Verhütung, Aufdeckung und Ermittlung von Schleuserkriminalität und Menschenhandel und zur Verstärkung der Unterstützung von Europol bei der Verhütung und Bekämpfung solcher Straftaten und zur Änderung der Verordnung folgende spezifische Ziele verfolgt:
- Stärkung der behördenübergreifenden Zusammenarbeit im Bereich Schleuserkriminalität und Menschenhandel;
- Stärkung der Steuerung und Koordinierung bei der Bekämpfung der Schleuserkriminalität und des Menschenhandels auf EU-Ebene;
- Verbesserung des Informationsaustauschs im Bereich Schleuserkriminalität und Menschenhandel;
- Aufstockung der Ressourcen der Mitgliedstaaten zur Verhütung und Bekämpfung der Schleuserkriminalität und des Menschenhandels;
- Verstärkung der von Europol geleisteten Unterstützung bei der Prävention und Bekämpfung von Schleuserkriminalität und Menschenhandel durch operative Taskforces und Entsendungen von Europol-Bediensteten zur operativen Unterstützung.
Zur Erreichung dieser Ziele hat die Kommission außerdem vorgeschlagen, die finanziellen und personellen Ressourcen von Europol aufzustocken, um den operativen Erfordernissen gerecht zu werden und festgestellte Lücken zu schließen.
Migration ist eine globale Realität und integraler Bestandteil der immer engeren Beziehungen zwischen der EU und ihren Partnern weltweit. Die Kommission arbeitet im Rahmen des „Team Europa“-Ansatzes konsequent mit internationalen Partnern zusammen, um die Ursachen der Migration anzugehen, Schleuserkriminalität zu bekämpfen und legale Migrationswege in die EU zu fördern.
Die Entwicklung der legalen Migration muss auch mit einer stärkeren Zusammenarbeit bei der Rückübernahme einhergehen. Im Rahmen eines funktionierenden Asyl- und Migrationssystems müssen diejenigen, die kein Aufenthaltsrecht in Europa haben, rückgeführt werden. Der EU-Rückkehrkoordinator arbeitet dabei im Rahmen des hochrangigen Netzes für Rückkehrfragen eng mit den Mitgliedstaaten zusammen.
Derzeit wird mit vielen Herkunfts- und Transitländern an einem Paradigmenwechsel gearbeitet, der auf umfassenden Partnerschaften basiert. Die jüngsten Initiativen mit Tunesien, Mauretanien und Ägypten sind ein Beispiel hierfür. Im Rahmen dieses neuen Konzepts ist der Bereich Migration – neben anderen Schlüsselbereichen wie Wirtschaft und Handel, Investitionen in grüne Energie, Sicherheit sowie zwischenmenschliche Kontakte – in die enge Zusammenarbeit mit den Partnerländern der EU eingebettet. Die EU ist – zusammen mit ihren Mitgliedstaaten – der weltweit größte Geber im Bereich der Flüchtlingshilfe und weltweit führend im Bereich der Entwicklungshilfe. Die umfassenden Partnerschaften werden durch das „Gesamtrouten-Konzept“ ergänzt, das alle Aspekte abdeckt, vom Umgang mit den Ursachen der irregulären Migration bis hin zur Zusammenarbeit bei anderen Aspekten der Migration und des Grenzmanagements und der Grenzen (Aktionspläne für die zentrale Mittelmeer-, die westliche Balkan-, die westliche Mittelmeer- und die Atlantik- sowie die östliche Mittelmeerroute).
Mit dem Paket werden sichere und legale Migrationswege in die EU für schutzbedürftige Menschen durch einen Unionsrahmen für Neuansiedlung und Aufnahme aus humanitären Gründen weiter verbessert. Zum ersten Mal wird es einen stabilen und vorhersehbaren Rechtsrahmen geben. Dies wird es der EU ermöglichen, mit einer Stimme zu sprechen, und helfen, den Beitrag der Union zur internationalen Neuansiedlung zu erhöhen.
Der Unionsrahmen für Neuansiedlung und Aufnahme aus humanitären Gründen (im Folgenden „Unionsrahmen“) wird ein einheitliches Verfahren für Maßnahmen der Neuansiedlung und der Aufnahme aus humanitären Gründen vorsehen, die Abweichungen zwischen den derzeitigen nationalen Verfahrensweisen verringern und die Effizienz verbessern.
Er wird auf einem zweijährigen Unionsplan beruhen. Im Unionsplan wird die Gesamtzahl der schutzbedürftigen Personen festgelegt, die in die EU aufgenommen werden sollen, und es werden Angaben zum Beitrag der einzelnen Mitgliedstaaten sowie zu den Nicht-EU-Ländern, aus denen die Aufnahme erfolgen soll, aufgenommen.
Die freiwilligen Bemühungen der Mitgliedstaaten werden unter Berücksichtigung der Verfügbarkeit von Haushaltsmitteln durch angemessene Mittel aus dem EU-Haushalt unterstützt.
Es wird ein reibungsloser Übergang von der derzeitigen Ad-hoc-Regelung zur ersten Neuansiedlung und Aufnahme aus humanitären Gründen gemäß dem Unionsrahmen sichergestellt. Der Unionsrahmen wird dazu beitragen, die Bemühungen der EU bezüglich Neuansiedlung und Aufnahme aus humanitären Gründen auf eine dauerhaftere Grundlage zu stellen. Die Empfehlung der Kommission aus dem Jahr 2020 zu legalen Schutzwegen in die EU wird weiterhin die Grundlage für die Förderung weiterer innovativer Modelle wie komplementäre Zugangswege und Patenschaftsprogramme bilden.
In dem Paket werden drei wesentliche Möglichkeiten zur Verbesserung der legalen Migrationswege in die EU dargelegt.
- Erstens enthält das von der Kommission im November 2023 vorgelegte Paket für Kompetenz- und Fachkräftemobilität einen Legislativvorschlag zur Einrichtung des EU-Talentpools,einerEU-weiten Plattform. Das Paket umfasst auch eine Empfehlung zur Anerkennung der Qualifikationen von Drittstaatsangehörigen. Die Empfehlung zielt darauf ab, die Rolle der Anerkennung von Kompetenzen und Qualifikationen als Faktor anzugehen, der sich auf die Attraktivität für Drittstaatsangehörige auswirkt, und unterstützt deren erfolgreiche Integration in die Arbeitsmärkte der Mitgliedstaaten. Ziel ist es, den Verwaltungsaufwand und die Kosten für die Anerkennung sowohl für Bewerber als auch für Arbeitgeber zu verringern, da diese Faktoren von einer erfolgreichen Anwerbung aus Drittländern abhalten oder diese verhindern können.
- Zweitens wird die überarbeitete Richtlinie über die Blaue Karte dazu beitragen, hoch qualifizierte Arbeitskräfte für die EU zu gewinnen und zu halten, indem flexiblere Zulassungsbedingungen, verbesserte Rechte und die Möglichkeit geschaffen werden, leichter zwischen den EU-Mitgliedstaaten zu wechseln und zu arbeiten.
- Schließlich wurde im Dezember 2023 eine politische Einigung über ein gestrafftes Verfahren für die kombinierte Erlaubnis für Drittstaatsangehörige, sich in der EU aufzuhalten und zu arbeiten, erzielt. Diese wird das Verfahren für die Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis für Arbeitszwecke in der EU straffen und so die internationale Anwerbung von Talenten fördern. Außerdem werden neue Maßnahmen zur Stärkung des Schutzes von Arbeitskräften aus Drittstaaten vor Ausbeutung eingeführt.
Der EU-Talentpool wird die erste EU-weite Plattform sein, die darauf abzielt, die EU für Drittstaatsangehörige, die nach Beschäftigungsmöglichkeiten in der EU suchen und über die Kompetenzen verfügen, die erforderlich sind, um in EU-weit bestehenden Mangelberufen auf allen Qualifikationsniveaus zu arbeiten, attraktiver zu machen. Er wird Unternehmen in der EU helfen, die benötigten Fachkräfte zu finden und menschenwürdige Arbeitsbedingungen gewährleisten.
- Mit der Verordnung über die kombinierte Erlaubnis wird eine Erlaubnis eingeführt, die die Arbeit und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen in der EU kombiniert.
- Diese wird das Verfahren für die Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis für Arbeitszwecke in der EU straffen und so die internationale Anwerbung von Talenten fördern. Außerdem werden neue Maßnahmen eingeführt, die darauf abzielen, den Schutz von Arbeitskräften aus Drittstaaten vor Ausbeutung zu verbessern.
Die Verantwortlichkeiten der Mitgliedstaaten für Such- und Rettungseinsätze fallen nach dem Völkerrecht in ihre nationale Zuständigkeit, was unverändert bleibt. Mit dem Paket wird ein neuer Rechtsrahmen für das geschaffen, was geschieht, nachdemMenschen bei Such- und Rettungseinsätzen gerettet wurden und in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen.
Mit dem Paket wurden drei Hauptsäulen eingeführt:
1. Neue spezifische Vorschriften über Zuständigkeit und Solidarität in Fällen von Such- und Rettungseinsätzen:
- Zuständigkeit: Bestimmung des Mitgliedstaats, der für Personen zuständig ist, die nach Such- und Rettungseinsätzen ausgeschifft werden und Asyl beantragen. In den neuen Vorschriften wird anerkannt, dass die Ausschiffung nach einem Such- und Rettungsereignis nicht mit einer irregulären Einreise gleichzusetzen ist. Aus diesem Grund ist ein Mitgliedstaat, der eine Person im Anschluss an einen Such- und Rettungseinsatz auf See gerettet hat, 12 Monate lang für diese Person zuständig, während dieser Mitgliedstaat im Falle der irregulären Einreise 20 Monate lang zuständig wäre. Um die ordnungsgemäße Anwendung dieser Vorschriften zu gewährleisten, wird mit der neuen Eurodac-Verordnung eine spezielle Eurodac-Kategorie für Ankünfte nach Such- und Rettungseinsätzen geschaffen.
- Solidarität: In der Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement wird anerkannt, dass Such- und Rettungseinsätze ein struktureller Druckfaktor sind und daher Mitgliedstaaten, die mit einer großen Zahl von Ankünften auf See im Rahmen von Such- und Rettungseinsätzen konfrontiert sind, zu den Mitgliedstaaten gehören könnten, die von Solidaritätsmaßnahmen profitieren. Mit der Reform wird ein dauerhafter verbindlicher Solidaritätsmechanismus mit der Möglichkeit eingeführt, einen Teil des jährlichen Solidaritätspools (der sich aus den Solidaritätsbeiträgen aller Mitgliedstaaten zusammensetzt) für Mitgliedstaaten vorzusehen, die aufgrund von Such- und Rettungseinsätzen unter Druck stehen. Dies bedeutet, dass eine jährliche Zahl von Übernahmen und Finanzbeiträgen für Mitgliedstaaten „reserviert“ wird, die aufgrund von Such- und Rettungseinsätzen mit einer großen Zahl von Einreisen auf dem Seeweg konfrontiert sind, um die Berechenbarkeit und Kontinuität der Unterstützung zu gewährleisten. Dieser dauerhafte Mechanismus bedeutet, dass es keine Ad-hoc-Lösungen auf der Basis freiwilliger Beiträge mehr geben wird. Darüber hinaus müssen die Mitgliedstaaten die Schutzbedürftigkeit ankommender Personen, die nach Such- und Rettungseinsätzen ausgeschifft werden, berücksichtigen.
2. Verbesserung des Informationsaustauschs und der Zusammenarbeit: Die Kommission hat 2021 die erste Kontaktgruppe für Such- und Rettungseinsätze eingesetzt, um die Zusammenarbeit zu verstärken und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten und den assoziierten Schengen-Staaten zu unterstützen. Die Kontaktgruppe für Such- und Rettungseinsätze wurde 2023 neu gebildet und tritt regelmäßig zusammen. Die Kontaktgruppe sammelt Wissen über Vorschriften und Verfahren, die von den Mitgliedstaaten entwickelt und angewandt werden, um im Einklang mit dem geltenden internationalen und dem geltenden europäischen Rechtsrahmen ein gemeinsames Verständnis von Such- und Rettungseinsätzen zu fördern und zur Entwicklung gemeinsamer Verfahren in diesem Bereich beizutragen. Die Gruppe hat auch den echtzeitnahen und nachträglichen Austausch analytischer Informationen erprobt, und derzeit wird eine Studie über die technischen Sicherheitsmaßnahmen aller Schiffe im Zusammenhang mit Such- und Rettungseinsätzen durchgeführt.
3. Leitlinien und gemeinsame Regeln: Die Kommission hat 2020 eine Empfehlung zur verstärkten Zusammenarbeit bei Such- und Rettungsaktionen veröffentlicht. Darüber hinaus schlug die Kommission vor, die Beihilfe-Richtlinie zu überarbeiten, um deutlicher klarzustellen, dass humanitäre Tätigkeiten, die in Form von Such- und Rettungseinsätzen im Einklang mit dem Völkerrecht durchgeführt werden, nicht kriminalisiert werden dürfen. Dieser Vorschlag wird derzeit von den gesetzgebenden Organen verhandelt.